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Entdecke den Frühling zuhause!

Für die Makrofotografie solltest du dir ein Makroobjektiv anschaffen, mit dem du ganz nah an heran kannst und welches die Blumen bildfüllend abbilden kann. Es gibt verschiedene Brennweiten, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Ich arbeite mit einem 60-mm-Objektiv, welches bei einem Cropfaktor von 1,5 etwa einer 90er-Brennweite bei einem Vollformatsensor entspricht. Du kannst es selbstverständlich auch ohne Makroobjektiv, aber mit einer langen Brennweite oder mit dem Handy einmal versuchen, meine Tipps sind gestalterischer und kreativer Natur, die du ohne grosses technisches Know-how umsetzen kannst. Als weiteren Ausrüstungsgegenstand halte ich einen Bohnensack für unerlässlich. Ein Bohnensack ist ein Kissen, welches mit trockenen Kirschkernen oder Bohnen gefüllt ist und als Stativersatz eine bodennahe stabile Unterlage bietet. Eine Etage höher sind auch ein Gorillastativ oder ein kleines Reisestativ nützlich. Die stabile Unterlage ist nötig, denn oft ist es im Wald zu dunkel, um freihändig mit kurzen Belichtungszeiten fotografieren zu können. Weiter ist ein klapp- und drehbares Display nötig, denn du wirst die Kamera tief unten bedienen müssen. Entweder du liegst direkt auf den Boden, oder du fotografierst über das aufgeklappte Display. Achte auch auf eine zweckmässige Kleidung und gutes Schuhwerk, das für sichere Standfestigkeit sorgt. In Steillagen sorgt ein Stock oder Stecken für zusätzliche Sicherheit. Ich bin auf bestimmte Blumen aus und führe nur gerade die Ausrüstung mit mir, die ich benötige: in einem kleinen Rucksatz sind dies: Kamera ohne Halteband mit Makroobjektiv, Bohnensack und Gorillastativ. 

 

Schönes Wetter bringt Idealbedingungen, weil du die Blümchen immer abschatten kannst und du bei Sonnnschein genügend Licht hast, um auch mit kurzen Belichtungszeiten arbeiten zu können. Diese brauchst du, wenn es leicht windig ist.

 

Es gibt viele Möglichkeiten, Blümchen inszenieren: aus dem Hintergrund isoliert oder inklusive Umgebung, alleinstehend oder in Gruppen. Versuche einfach mehrere Möglichkeiten aus.

 

Links: Gruppenmotiv im Gegenlicht mit Umgebung. Mitte: Märzenbecher, losgelöst von der Umgebung. Rechts: Unscharfe Blüten nahe dem Objektiv ergeben Unschärfen. Bei Schnee- und Märzenglöckchen bleibt der Farbkanon im Bereich Grün und Weiss.

 

Ich bevorzuge die einzelnen Protagonisten, die ich mit der Unschärfe des Vorder- oder Hintergrundes in Szene setze. Die Blümchen stehen dabei entweder in der Sonne, dann schaue ich darauf, einen dunklen Kontrast zum Hintergrund zu erhalten. Im andern Fall schatte ich die Blümchen mit meinem Körper ab, setze sie dann vor den besonnten Hintergrund.

 

Bei Leberblümchen im Waldlaub liegen die Farben anders: von Blaulila bis Braun mit weissen und gelben Akzenten.

 

Welche Blümchen und wo wachsen sie?

Kulturblümchen wie Schnee- und Märzenglöckchen wachsen in Gärten, Parks oder Grünanlagen. Man darf nicht unbefugt in fremde Gärten eindringen und drauflos fotografieren. Fragen hilft immer. Gärten sind jedoch nicht meine bevorzugten Standorte, weil sie keine schönen Hintergründe bereithalten. In der intensiv bewirtschafteten Landwirtschaftszone wachsen keine Frühlingsboten. Wo denn sonst? Es bleibt dir nichts anderes übrig, als mit den Velo oder Auto die Gegend zu erkunden, die Augen offen zu halten und dir die Standorte zu merken, wo du die Blümchen ortest. In der Makrofotografie fesseln mich die kleine Blümchen mehr als die grossen Blumen wie Narzissen oder Osterglocken. Blümchen mit leuchtenden Farben wie Veilchen, Leberblümchen, Krokusse oder Sumpfdotterblume bringen eine ganze andere Farbtonalität als Schlüsselblumen oder Primel mit ihrem faden Gelb. Buschwindröschen oder der Waldsauerklee sind weit verbreitet und sind überall gut sichtbar. Ich bevorzuge Hanglagen oder den Waldrand, denn dort ist der Hintergrund besser mit ins Bild einzubeziehen. 

 

Blümchen in Hanglagen kannst du direkt gegen den Himmel absetzen. Bei entsprechendem Ausschnitt kannst du sogar die Sonne einfangen.

 

Die meist in Gruppen stehenden Märzenbecher präsentieren sich je nach Höhenlage dem Fotografen über mehrere Monate hinweg. Gestalterisch stellt sich die Frage, ob ich ein einzelnes Blümchen, zwei, drei oder vier zusammen abbilden kann oder gar eine ganze Gruppe aufnehmen soll. Durch die Kameraposition isoliere ich einzelne Blümchen und fokussiere darauf. Ich finde die einzelne(n) Blüte(n) vor dem unscharfen Hintergrund eine schöne Variante der Makrofotografie.

 

Im Gegenlicht bringt die Sonne das Blattwerk zum Leuchten. Es liegt direkt vor der Linse , daher die extreme Umschärfe.

 

Die Suche nach «anderen» Fotos bringt mich auf die Idee, den Sonnennuntergang mit ins Bild zu packen. Allerdings sind die Standorte der Blümchen, wo gleich dahinter die Sonne untergeht, nicht gerade häufig. Nach ausgiebigem Suchen wurde ich in der Hügellandschaft des Hirzelgebietes (ZH) fündig.

 

Die Kamera liegt auf dem Bohnensack, in direkter Richtung zur untergehenden Sonne. Je offener die Blende, desto grösser wird der Sonnenball.

 

Ein Dialog entwickelt sich zwischen der Sonne und der Blüte, die die letzten Sonnenstrahlen aufnimmt.

 

Hier ist die Sonne bereits untergegangen und von Auge kaum mehr sichtbar. Die Sensorik schreibt eine glutrote Kugel auf die Karte. Noch eine wenig Entwicklungsarbeit und fertig ist das Makro-Sonnenuntergang-Bild.

 

Leberblümchen

Diese blaue bis lilafarbenen Frühchen leben in kalkhaltigen Böden der Juraausläufer, zum Beispiel im Kanton Schaffhausen. Sie strecken ihre behaarten Stiele meist in Gruppen als erstes durchs verdorrte Laub. Wie die meisten Blumen richten sie sich nach der Sonne aus, präsentieren ihr Inneres also nur im Frontallicht. Im Gegenlicht kann man sie nur von hinten fotografieren. Leberblümchen stehen immer im Laub, welches eine wunderbare erdige Kulisse zu den Blüten in Blau-, Lila-, Gelb- und Weisstönen bildet.

 

Die grüne Unschärfe stammt von einem durchleuchteten Blatt im Vordergrund.

 

Auch bei den fast nicht zu vermeidenden Gruppenbildern kann ein einzelnes Blümchen abgesondert werden. So erzählt es eine Geschichte: Ich bin ein Sonderling!

 

In der Makrofotografie geht es oft auch um den attraktiven Hintergrund. Mit den Unschärfekreisen deutet der Hindergrund mehr an als es etwas aufzeigt. Die beiden Blümchen im Vordergrund kuscheln sich eng zusammen, sie wirken klein und zerbrechlich.

 

Bachnelkenwurz

Bachnelkenwurz findest du in Feuchtgebieten oder entlang von Bachläufen. Sie sind zunächst etwas unscheinbar – aber das Makroobjektiv zaubert Blüten von grosser Gazilität hervor, diese pelzigen weinroten Stängel und Blüten, die orangefarbenen Kapseln oder die feinen Härchen am ganzen Körper – das ist Lust pur.

 

Die Schärfe in allen drei Blütenstängeln rührt vom Fokus Stacking. Im Gegenlicht schimmern die weissen Härchen.

 

Paarige Aufnahmen entwickeln eine brüderliche Synchronität.

 

Wenn du die Blüten als Protagonisten siehst, wirst du Spielarten eines besonderen Ausdruckstanzes finden.

 

Krokusse

Die Kulturpflanzen sind in Gärten, Pärken, Friedhöfen oder ausgewildert anzutreffen – oft in einem ganzen Blumenmeer. Auch hier bevorzuge ich Gegenlicht, denn die Farben leuchten dann besonders schön. Wenn du kannst, warte, bis die Sonne sehr tief am Horizont steht.

 

Die Herausforderung besteht darin, die Blumen unversehrt zu belassen, nichts zu zertrampeln oder auszureissen. Im Gegenlicht leuchten die Farben besonders stark.

 

Die unscharfen Kelche links werden ganz dicht ans Objektiv gesetzt.

 

Wenn du die Kamera leicht bewegst, um das Bild zu komponieren, wirst du fantastische neue Welten entdecken.

 

Bärlauch

Bärlauch finde ich im Wildnispark Sihlwald, in den Auenwäldern der alten Aare oder in den Juraausläufern bei Remigen (AG). Er blüht von Ende April bis Ende Mai, je nach meteorologischen Bedingungen und seiner Lage. 

 

Bärlauch bevorzugt schattige Lagen und bildet oft einen weissen Blumenteppich. Ich suche Hanglagen auf, die ermöglichen, von unten nach oben zu fotografieren. 

 

 

Eine verwischte Unschärfe entsteht dann, wenn sich hinter dem Bärlauch ein Hintergrund befindet, der weit entfernt ist. Hier habe ich durch die Blätter hindurch fotografiert, die sich direkt vor dem Objektiv befinden.

 

 

Wenn du geduldig bist, kannst du im Wald auch Insekten entdecken und fotografieren. Die grosse Herausforderung ist die Belichtungszei. Wenn du bewegte Objekte scharf belichten willst, wirst du 1/1000 Sek. oder kürzer belichten müssen. Dann jedoch reicht selbst die offene Blende nicht aus, sodass du die ISO-Zahl stark erhöhen musst.

 

Mich sprechen Aufnahmen an, die mit der Unschärfe spielen. Ich suche mir gezielt die Blüten aus, die sich in einer bestimmten Distanz von den Nachbarblüten abheben. Das Foto habe ich nachträglich an den Rändern weiss vignettiert.

 

Hier ist der Kamerastandort direkt auf dem Boden, ich fotogafiere von unten nach oben, um die Blüten freizubekommen. Die beiden stehen beschattet, während im Hintergrund die Sonne  das Grün leuchten lässt.

 

Hier setze ich das 100er-Makroobjektiv direkt an ein paar Blüten, die das Objektiv fast berühren. So entstehen diese Art Unschärfen. 

 

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